«Wo stehst du, wenn der Wegweiser vor dir in westlicher Richtung nach dort, in östlicher dort und in nördlicher dorthin zeigt?»
(«Dort» steht als Platzhalter für Ortschaften, an die ich mich aber nicht mehr erinnern kann.)
Solche Fragen stellte uns der Geographielehrer oftmals in den Proben und ich stand nirgends, höchstens mir auf der Leitung. In sämtliche Himmelsrichtungen.
Wir sprachen damals noch nicht von «Tests». Was mir jetzt grad auffällt: Die altmodische Bezeichnung «Probe» ist mir viel sympathischer!
Heute werden die Kinder in der Schule bei den Tests getestet. Auf Wissen, Fleiss und Glückhaben.
Wir durften bei den Proben früher einfach «probieren», ob wir das Gelernte nun auch zu Papier bringen können oder, wie in oben erwähntem Fall, aufgrund angeborenem Orientierungsunvermögen, rein gar nichts verinnerlicht und somit auch nicht veräusserlicht und aufgeschrieben werden konnte.
Probieren durften wir auch, ob mit wortreichen Umschreibungen eventuell, unter Umständen, vielleicht noch ein halber Punkt herausgeholt werden konnte. Was aber gar nicht günstig war: Zu probieren, ob beim Pultnachbar abgeschrieben oder unbemerkt gespickt werden kann. Das konnte bei Aufdeckung des Verdachts oder Ertappen in Flagranti, zur Erweiterung des Nagelsortimentes führen und der Hammer kam dann beim Rückerhalt der Proben. «E Nagu» gab es, wenn die Note so tief lag, dass es weiter runter nicht mehr ging. Und das schraubte den Notendurchschnitt rasant hinunter! So viel zur «Werkzeugkiste»…
Ich war an deren Ausstattung nicht interessiert und verzichtete deshalb auf die Integration von fremdem Wissen in meine Proben.
Mein Lieblingsspiel im Geographieunterricht, war das Ortschaften-finden auf der grossen Schweizerkarte. Die war wirklich gross, nämlich so, dass wir zu zweit davorstehen konnten und uns suchend, hin und her bewegend, gegenseitig bedrängend, den Sieg holen konnten. Es handelte sich dabei nämlich um einen Wettkampf, der in zwei Mannschaften gespielt wurde und wer den gesuchten Ort schneller fand, sammelte einen Punkt zu seinen Gunsten.
Mein Talent lag vielmehr im schnellen und querlesen können als in den geographischen Kenntnissen. Dies genügte oft, um etliche Punkte holen zu können. Ausser ich musste gegen Märcu antreten. Der war unschlagbar in Geographie. Und das ist auch gut so: An der Klassenzusammenkunft habe ich nämlich erfahren, dass er seinen Bubentraum vom Lokführer verwirklicht hat. Und dabei muss man halt dann schon wissen, wohin man den Zug führt und wo genau dieser jetzt grad steht.
Ich hingegen konnte mir die richtigen Antworten nach meinem fiktiven Aufenthalt bei drei Ortsangaben ebenso wenig merken, wie die Frage nach den Namen der Pässe, die zwischen da und dort liegen. (Der Märcu wusste alle!)
Mir zu merken, auf welchem Berg der Ursprung von welchem Fluss liegt, fiel mir auch schwer. Was ich wusste: Jeder Fluss fliesst zuletzt ins Meer! In welches? Nun, das konnte man ja im Atlas nachschauen.
Ja, damals bekamen wir noch einen Atlas aus Papier ins Pult. Von Recherchieren im Internet wussten wir noch nichts. Den schweren Atlas legte ich immer zuunterst ins Pult und tischete die anderen Schulbücher obendrauf.
Ausser im Herbst: Da nahm ich ihn manchmal mit nach Hause und brauchte ihn zum Blätter pressen. (Das kann man mit dem Internet nicht!) Zwischen den verschiedenen Kontinenten lagen die filigranen Spitzen vom Fächerahorn sehr gut.
Neulich stand ich an einem Wegweiser, der in drei Richtungen zeigte. Auf jedem der gelben Pfeile stand dasselbe Wort: «Wanderweg».
Und ich dachte an eben diese Geographieproben zurück, an denen ich hätte wissen sollen, wo ich denn wäre, wenn ich ebendort stünde.
Das wusste ich nun auch nicht ganz genau. Aber ich wusste in welche Richtung ich gehen wollte.
Oder zumindest probieren. ;-)
Und die Himmelsrichtung wusste ich ganz sicher: «Oben!»
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